Ein schimmerndes Abendkleid im Licht der Straßenlaternen, ein Paar, eingehüllt in Zigarettenrauch und den warmen Sommergeruch am Kurfürstendamm in Berlin. 1958, auf dem Weg in den Tanzsalon, wo der Abend erst so richtig beginnen wird. Bei dem Bild muss ich sofort an meine Omi denken. An ihre Jugend, die doch so anders war als meine.
Vor nicht allzu langer Zeit bin ich mit meiner Omi auf eine Kiste alter Fotos von ihr und meinem Opa gestoßen, als die beiden sich gerade erst kennengelernt hatten. Bilder aus einer anderen Zeit, aus längst vergangenen Jahrzehnten, umhüllt von leicht muffigem Kellergeruch.
Damals war alles anders – die Mode, die Gesellschaft und mit Sicherheit auch die Vorstellung vom Leben. Damals gab es kein Internet, kein Instagram und schon gar kein Tinder.
Generell keine Dating Apps, die unglaublich viel Zeit und Nerven rauben. Die Bilder haben mir wieder vor Augen geführt, wie sehr wir unser heutiges Leben von Social Media bestimmen lassen – gerade auch in Sachen Dating. Die unzähligen Apps werden doch niemals an ein Date von damals herankommen, abgerissene Zettel mit Bleistiftherzchen sind längst Super Swipes gewichen. Sich einfach mal offline verabreden? Heutzutage eine echte Herausforderung.
Dating von heute
Wenn ich meiner Omi heute von Tinder, Bumble und Co erzähle, kann sie nur den Kopf schütteln. Für sie ist diese Welt voller Technik nicht greifbar. Einfach online nach seinem Traumpartner zu suchen? Vor wenigen Jahren noch undenkbar. Ein Swipe links, dann noch einer, und noch einer… das Ganze ist ein endloser Teuelskreis, und die Hoffnung, jemals den perfekten Kandidaten zu finden, schwindet immer weiter dahin. Zu groß, zu klein, zu schiefes Grinsen… Und irgendwann finden wir uns selbst enttäuscht am Boden der Tatsachen wieder. Inmitten der traurigen Wahrheit, die wohl oder übel lautet, dass unser Traumprinz nicht existiert. Oder aber wir Frauen gar nicht mehr von ihm gerettet werden wollen.
Wo sind die Liebesbriefe, Treffen in der Bibliothek und Ausführabende hin? Sind sie, ebenso wie die eleganten Kleider, Lockenwicklerfrisuren und richtigen Gentlemen, mit der Erfindung einer virtuellen Onlinewelt von der Bildfläche verschwunden?
War früher alles einfacher?
Hier kann auch Omi nur lächeln und mit dem Kopf schütteln. Die Liebe war schließlich noch nie einfach. Aber romantischer, das auf jeden Fall. Im schönen Cocktailkleid ging es dann hinaus auf die Straße und ins nächste Tanzlokal, wo noch jeder Tanz etwas besonderes war. Man ist mit einander ausgegangen, anstatt sich zu daten, und hat geredet, anstatt zu schreiben. Alles war ein bisschen echter, weniger gestellt, viel direkter, und doch genauso kompliziert. Mit Sicherheit aber war damals alles persönlicher, und genau das ist es doch, worum sich Dating drehen sollte: Persönliches. Sich mit einem Menschen face to face auszutauschen, ohne störende Ablenkungen oder eine Liste voll Chatanfragen, durch die man sich erst klicken muss. Um am Ende doch wieder enttäuscht zu werden.
Ist heute alles schlechter?
Ob heute alles schlechter ist oder früher alles besser war? In Sachen Dating können wir uns auf jeden Fall alle ein bisschen was von unseren Großeltern abschauen – und uns etwas mehr auf unser Gegenüber einlassen, zum Beispiel. Einfach mal ein bisschen auf die Onlinewelt verzichten und etwas mehr in der Offlinewelt leben. Denn einfacher machen es uns Dating Apps mit Sicherheit nicht, die Liebe unseres Lebens zu finden.
Meine Großeltern haben sich damals auch „einfach so“, ohne Dating-Apps und Co., auf der Uni kennengelernt – und wenn ich die beiden ansehe, weiß ich: Es braucht wahrhaftig keine Dating Apps, um die Liebe zu finden.
Credits Bild: Herbert Tobias, Abendkleid von Horn auf dem Kurfürstendamm, Berlin 1958, © Berlinische Galerie / VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Repro: Dietmar Katz
